FT-CI

Erklärung der Trotzkistischen Fraktion – Vierte Internationale

Perspektiven für den revolutionären Prozess in Ägypten nach Mubarak

05/03/2011

18. Februar 2011

Der revolutionäre Sturz Mubaraks

Der Sturz des verhassten Diktators Hosni Mubaraks am 11. Februar, der das Land seit 30 Jahren mit harter Hand regierte, ist zweifelsohne ein Sieg für die Arbeiter, die Jugend, die Arbeitslosen und Armen, die 18 Tage lang massiv in den zentralen Städten Ägyptens demonstrierten und den Tahrir-Platz in Kairo einnahmen. Weder die Polizeigewalt noch die Repression durch die faschistischen Schlägerbanden Mubaraks, die Hunderte von Toten und Zehntausende Verletzte kosteten, noch die falschen Versprechungen von Öffnung und Demokratie des Diktators haben es geschafft, weder den Hass der Massen zu dämpften noch die Proteste zu bremsen. Diese sind durch tiefgreifende demokratische uns strukturelle Forderungen vorangetrieben, unter ihnen die Forderung nach dem Abdanken des autokratischen und pro-imperialistischen Mubarak-Regimes und seiner engsten Mitarbeiter wie Omar Suleiman, der Forderung nach einem Ende der Armut, Arbeitslosigkeit und der unverschämt hohen sozialen Ungleichheit. Ohne Zweifel war das wichtigste Element, das zum Sturz Mubaraks führte und dem Prozess eine klare Dynamik verlieh, die organisierte Intervention der ägyptischen Arbeiterklasse mit ihren Methoden des Streiks, der Blockaden und Besetzungen. Ab dem 8.Februar traten im ganzen Land Zehntausende Arbeiter und Arbeiterinnen des öffentlichen Dienstes, der Industrie und wichtiger Dienstleistungen in den Streik um Lohnerhöhungen, bessere Arbeitsbedingungen und das Recht auf eine demokratische gewerkschaftliche Organisierung zu fordern. Die Bahn, die Krankenhäuser, die Telekommunikation, die Textilindustrie, die Banken und der Suez-Kanals wurden u.a. komplett lahm gelegt. Trotz der über Jahre von Ideologen und Intellektuellen im Dienste des Kapitalismus genährter Skepsis, haben die ägyptischen Arbeiter und Arbeiterinnen die ungeheure soziale Macht der Arbeiterklasse gezeigt. Mit der bestätigten Perspektive, dass der Prozess durch die Bündelung der Kräfte von Arbeitern, der Jugend, der Arbeitslosen, der Armen ins Stadt und Land einen gewaltigen Schritt nach vorne machen würde, hat das Militär (das während der 18 Protesttage als ein Hauptfeiler des Regimes eine scheinbare Neutralität wahrte) Mubarak die Unterstützung entzogen und die Kontrolle des Landes übernommen um den revolutionären Prozess zu bremsen und zu versuchen, „Ordnung“ und „Normalität“ wieder herzustellen. Die Regierung des Höchsten Militärrats unter Hussein Tantawi, dem drittstärksten Mann der Mubarak-Diktatur und dem General der Luftwaffe Ahmad Shafiq als Premierminister hat das Pseudo-Parlament Mubaraks aufgelöst und die Verfassung außer Kraft gesetzt, jedoch den seit 30 Jahren herrschenden Ausnahmezustand aufrecht erhalten. Außerdem wurde ein juristischer Rat einberufen um einige Artikel der Verfassung von Mubarak zu reformieren. Angesichts der Gefahr einer Revolution und der schwachen bürgerlichen Oppositionskräfte, einigten sich die lokale Kapitalistenklasse, der US-Imperialismus und seine Verbündeten, wie Israel, darauf, dass das Militär den Weg eines „geordneten Ìbergangs“ ebnen soll, der im wesentlichen die Kontinuität des Regimes wahrt um ihre Interessen zu sichern. So war die Ratifizierung der internationalen Abkommen Ägyptens nicht zufällig eine der ersten Maßnahmen des Militärrats, die eben den Frieden mit dem Staat Israel und somit das militärische Mitwirken an der Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung garantieren. Eines der politischen Modelle, das die Obama-Regierung für ein Ägypten nach Mubarak in Betracht zieht ist das Vorbild der Türkei. Also ein Staat, der in strategischer Allianz mit den USA, dem Militär als Hauptpfeiler des Regimes und der Mitwirkung sogar moderaten islamistischen Parteien (wie die der Muslimbrüder) die Interessen des Staates und des Imperialismus wahrt.
Als revolutionäre Marxisten begrüßen wir es als wichtigen Sieg der Massen Ägyptens, einen der vertrauenswürdigsten Verbündeten des US-Imperialismus in der Region gestürzt zu haben. Doch dies ist erst der Beginn und nicht das Ende des revolutionären Prozesses: das Militär als die Institution die aktuell die reale Macht innehat, blieb unberührt und konnte so die Regierung stellen und sich als Urheber eines neu emporkommenden bürgerlichen Regimes aufstellen – doch so wurde der Massenmobilisierung ihr Sieg geraubt. Daher ist es notwendig, den Kampf um den Sturz dieser Regierung und gegen den Imperialismus weiter zu führen, um für die Forderungen der Arbeiter und der Massen einzustehen.

Eine neue Etappe

Der Sturz Mubaraks – nicht aufgrund eines reaktionären Putsches sondern als Produkt des Aufstandes von Arbeitern und Unterdrückten – eröffnet eine Periode in der die Kräfteverhältnisse im Land immer noch nicht festgelegt sind und somit auch noch nicht zu definieren ist, welches Regime aus dem losgetretenen „Ìbergang“ entstehen wird. Seit der Machtübernahme durch das Militär wird versucht die Ordnung wiederherzustellen, jedoch mit dem harschen Widerspruch, dass sich die Unterstützung der Massen bei jeglicher offener Anwendung von Gewalt sofort auflösen würde. Dies könnte gleichzeitig auch zu einer bis jetzt verhinderten Radikalisierung des Prozesses führen, bei dem ein Bruch zwischen Soldaten oder Unteroffizieren, die gewisse Sympathien mit den Demonstrationen zeigten und dem Oberkommando als Teil der herrschenden Klasse des Landes, hervorrufen wird. Aber in dem breiten sozialen und politischen Block, der den Sturz der Diktatur führte, zeigen sich Brüche und Spaltungen auf. Die Mittelklasse geht mehrheitlich davon aus, dass mit dem Abdanken Mubaraks ihr Ziel erreicht sei und übt Druck auf die Militärregierung aus, damit der „Ìbergang“ zu einem Regime mit formalen politischen Freiheiten führt. Die bürgerliche Opposition unter ElBaradei und auch den Muslimbrüdern akzeptiert den Militärrat für sechs Monate oder die notwendige Zeit in der Regierung um für die Präsidentschaftswahlen eine glaubwürdige bürgerliche Variante aufzustellen und verhandeln über ihre Teilhabe am neuen Regime. Dies überrascht nicht: ElBaradei ist eine der Alternativen, mit denen der Imperialismus hantiert um die „demokratische Gegenbewegung“ voranzutreiben und die Muslimbrüderschaft (abgesehen von ihrer vollkommen reaktionären religiösen Ideologie und der Koexistenz im Mubarak-Regime als halblegale Kraft) ist eine Organisation, die sowohl die etablierte wirtschaftliche Ordnung verteidigt als auch Mitglieder der vermögenden lokalen Eliten in ihren Reihen hat.
Doch das wichtigste ist, dass der erreichte Sieg die Arbeiter ermutigt hat, die Streikwelle fortzusetzen und sie auf alle Bereiche der Wirtschaft des Landes auszuweiten um ihre eigenen Forderungen geltend zu machen, die nicht nur ökonomischer Natur sind. Sie umfassen auch die Vertreibung der von Mubarak ernannten Verwalter von staatlichen Fabriken, womit sie sich gegen die Regierung und das Militär stellen. In einem der ersten Erklärungen der Regierung rief das Militär explizit dazu auf, die Streiks zu beenden, da „ehrenhafte Ägypter sehen, dass diese Streiks zu diesem heiklen Zeitpunkt negative Auswirkungen haben. Sie können die Sicherheit des Landes beeinträchtigen, wodurch bei allen staatlichen Einrichtungen und der Infrastruktur“. Der Versuch durch die Militärführung das Streikrecht und gewerkschaftliche Versammlungen zu verbieten prallte auf den klaren Widerstand zehntausender Arbeiter, die völlig zu Recht davon ausgehen, dass sie eben diese demokratischen Rechte durch den Sturz Mubaraks erlangt haben. Es hat bereits ein Prozess begonnen, der die Organisierung von Gewerkschaften anstößt, die unabhängig vom offiziellen Gewerkschaftsbund, der an Mubarak und sein Regime gebunden ist, sind. Die Dynamik, die diese Spannung zwischen der Arbeiterklasse und den Vertretern des „Ìbergangs“ lostritt, kann einen entscheidenden Einfluss auf die kommenden Etappen des revolutionären Prozesses haben: Einerseits können sich die Bestrebungen zu einem Generalstreik führen und somit erneut zu einem Eintreten der Massen in die Kampfarena führt oder das Militär kann, basierend auf seinem Prestige, die Repression umgehen und wichtige Sektoren für ihren Plan eines friedlichen „Ìbergangs“ gewinnen. Teil dieses Plans ist einerseits das Gesuch der Militärregierung nach einen internationalen Rettungsschirm ökonomischer Natur und andererseits die leeren Versprechungen für einen „Marshall Plan“ von Italien und anderen ländern, die auch stark von der Wirtschaftskrise betroffen sind.

Das Militär und die Opposition im Dienste der Bourgeoisie und des Imperialismus

Seit dem Putsch der Freie-Offizier-Bewegung von 1952, der die britische Kolonialisierung beendete und G. Nasser an die Macht brachte, wurde das Militär zu einer zentralen Institution des ägyptischen Regimes und Staates und häufte auch eine wichtige wirtschaftliche Macht an. Nach einigen Analysten sind mindestens 10% der nationalen Ökonomie unter Kontrolle des Militärs. Zum großen Teil wurden diese Privilegien durch die Privatisierungspläne Mubaraks und des IWF erlangt, die es dem Oberkommando erlaubte, sich Staatsunternehmen und von Bauern entwendete ländereien anzueignen. Die Massen verfallen immer noch der Illusion, das Militär sei auf ihrer Seite, was auch eine weitergehende Radikalisierung des Kampfes bisher verhindert hat und weiterhin einer der zentralen Hindernisse des revolutionären Prozesses ist. Diese Illusionen erklären sich einerseits aus historischen Gründen – der nationalbürgerlichen Vergangenheit des Militärs und seinen Auseinandersetzungen mit Israel im Yom-Kippur-Krieg – und anderseits durch seine Weigerung, abgesehen von einigen Ausnahmen, gegen die Demonstranten im Kampf gegen Mubarak gewaltsam vorzugehen. Doch das ägyptische Militär war nicht nur die Hauptstütze von Mubarak, sondern erhält jährlich auch 1.500 Millionen Dollar von der USA um die regionale Stabilität aufrecht zu erhalten und so unter anderem den Frieden mit dem zionistischen Staat Israels und die Blockade des Gazastreifens zu wahren. Genau dieses Militär ist nun dasjenige, das das Komitee zur Erarbeitung einer neuen Verfassung ernannt hat, über die dann durch ein Referendum abgestimmt werden soll. Damit wird die Möglichkeit einer souveränen verfassungsgebenden Versammlung verhindert. Die Erfahrungen mit der Militärregierung, die die Schaffung stabiler Bedingungen für die bürgerliche Herrschaft zur Aufgabe hat und somit unbedingt die sozialen Unruhen beenden muss, können eher früher als später diese Illusionen tilgen und die wahre Rolle des Militärs mit seinem vollends reaktionären und pro-imperialistischen Charakter offenbaren.

Die Arbeiter, die Jugend und die arme Bevölkerung können ihr Schicksal nicht der bürgerlichen Opposition zu Mubarak anvertrauen. Trotz seiner strukturellen Schwäche nach 30 Jahren Diktatur, spielt diese Opposition ihre Rolle als ziviler Deckmantel der militärischen Macht um sich als Kandidat für die Umwandlung in ein möglicherweise bürgerlich demokratisches Regime aufzustellen. Noch am selben Tag des Sturzes von Mubarak, erklärte Mohamed ElBaradei, „wir haben Vertrauen in das Militär und rufen das ganze Volk dazu auf, ihm die Chance zu geben, das umzusetzen was sie versprochen haben“. Für die Muslimbrüderschaft sei „das zentrale Ziel der Revolution schon erreicht“. Die vom Imperialismus unterstützte Politik einer „demokratischen Gegenbewegung“ zum Umlenken des revolutionären Prozesses ist recht zögerlich und schwach, nicht nur aufgrund der Krise innerhalb der offiziellen Opposition sondern auch weil sie erst jetzt einsetzt, da sich die Aufruhr der Arbeiter und Unterdrückten schon entwickelt hat. Wenn der revolutionäre Prozess jedoch nicht einen erneuten Sprung über seine aktuellen Feinde hinweg macht, werden die Bourgeoisie und der Imperialismus die Monate des „Ìbergangs“ nutzten, um irgendeine Figur aus der „Opposition“ zu einem glaubwürdigen Kandidaten zu wandeln, der es versteht, die Prozesse umzulenken.

Die Motoren des revolutionären Prozesses in Ägypten

Der revolutionäre Prozess in Ägypten - ein Höhepunkt der durch Nordafrika gehenden Welle die auch andere arabische länder erreicht - setzte die tiefgreifenden Bestrebungen der Massen auf die Tagesordnung: Schluss mit der Armut, dem Hunger, der Arbeitslosigkeit und der sozialen Ungleichheit, die durch die Kapitalismuskrise verschärft wurden und für den Sturz der diktatorischen und pro-imperialistischen Regime, die unter Beihilfe einer abhängigen Gewerkschaftsbürokratie und einem mächtigen Repressionsapparat mit eiserner Hand Privatisierungen und neoliberale Politiken durchsetzten.

Ägypten verzeichnet aktuell mit 24% eine der höchsten Arbeitslosenquoten der Region und ein durchschnittlicher Monatslohn eines Arbeiters beträgt etwa 75 Dollar. Millionen von Menschen – mehr als 50% der Bevölkerung – leben zusammengepfercht in den Peripherien der Großstädte und versuchen mit 2 Dollar am Tag zu überleben. Wenn sich diese Bedingungen auch über Jahrzehnte der neoliberalen Offensive durch Privatisierungen und Anpassungspläne ausgeformt haben, so hat sich doch in den letzten drei Jahren und mit den Preiserhöhungen der Grundnahrungsmittel, der Hunger unter den Massen noch weiter verbreitet. Im Jahr 2008 haben Arbeiter und die arme Stadtbevölkerung daher mit sinnbildlichen Aktionen wie dem „Brotstreik“ einen der sogenannten „Hungeraufstände“ angeführt. Da Ägypten Nahrungsmittel importiert, haben die Preiserhöhungen von Rohstoffen aufgrund der internationalen Wirtschaftskrise und der Grenzen von staatlichen Hilfsgeldern dazu geführt, dass Brot für die Mehrheit der Bevölkerung unerschwinglich geworden ist. So wurde mit Hass auf Hosni Mubarak geschaut, der ein persönliches Vermögen zwischen 40 bis 70 Millionen Dollar besitzt, während die Mehrheit der Menschen des Landes kaum die elementaren Lebenshaltungskosten aufbringt.

Dem Kampf gegen Mubarak ging eine Welle von Protesten und von Streikbewegungen voraus, die sich mit Unterschieden, mit Niederlagen und mit einigen Siegen seit 2004 entwickelten. Der Höhepunkt dieser Welle war der Streik Tausender Textilarbeiter und Arbeiterinnen in Al-Mahala im Jahre 2008. Diese Streikbewegung umfasste eine Mobilisierung von fast einer halben Million Arbeiter und Armen, die sich heftig mit der Polizei auseinandersetzten mussten und Mubarak-Abbildungen verbrannten. In Solidarität mit diesem Arbeiterkampf bildete sich die „Bewegung 6.April“, die eine führende Rolle in den aktuellen Demonstrationen übernahm. Dieses erklärt sowohl den tiefgehenden Charakter des laufenden revolutionären Prozesses als auch die zentrale Rolle, die die Arbeiterklasse als zentrale soziale Kraft beim Sturz von Mubarak spielte und offenbart auch die bürgerliche Angst, die Massen könnten sich nicht mit nur formalen demokratischen Veränderungen zufrieden geben und die Grundpfeiler des verkommenden Kapitalismus angreifen.

Nein zum Fallstrick des „Ìbergangs“.

Für eine revolutionäre verfassungsgebende Versammlung. Für eine Regierung der Arbeiter und Unterdrückten.
Zu Beginn des revolutionären Prozesses haben die Massen den Diktator Mubarak gestürzt, doch sie schafften es nicht das Militär, Stütze des bürgerlichen Staates, aufzubrechen. Trotz des harten Schlages in das Gesicht des Imperialismus und der lokal herrschenden Klasse, nutzten diese die Schwächen und die Illusionen der Massenbewegung aus, um innerhalb eher konservativer Teile der Mittelschicht eine soziale Verankerung zu schaffen, die es erlauben wird ihre Herrschaft wieder herzustellen. Die ägyptischen Massen dürfen es nicht erlauben, dass diese reaktionären Kräfte sich ihren Sieg aneignen, der auf Kosten von 300 Toten und Tausenden Verletzten erreicht wurde. Es reicht nicht, dass der Diktator gegangen ist. Es ist notwendig den Kampf fortzusetzen um vollkommene demokratische Freiheiten, die Freiheit der gewerkschaftlichen und politischen Organisierung, die sofortige Aufhebung des Notstandgesetztes und die Freiheit aller politischen Gefangenen zu erreichen, sowie die Schließung der durch Folter berüchtigten CIA-Spezialgefängnisse in den Wüsten des Landes zu erwirken. Für gerichtliche Prozesse und die Strafbarkeit aller Verantwortlicher für die Verbrechen der Diktatur, angefangen mit dem heute regierenden Militärrat und für die Auflösung des gesamten Repressionsapparates. Für das Ende der Unterdrückung der Frauen und der diskriminierten Minderheiten.

Kein Vertrauen in das Militär. Es ist notwendig, die Einheit zwischen den Soldaten und Unteroffizieren mit dem Oberkommando des Militärs, das dieselben Interessen wie die der ausbeutenden Klassen haben und für ihre Dienste jährlich Millionen US-Dollar vom US-Imperialismus erhalten, zu brechen. Für vollkommene politische und demokratische Rechte zur Organisierung der Soldaten gegen ihre Vorgesetzten.

Angesichts der Gefahr von Repression, Gewalt und dem Beschneiden des Streikrechts sind Blockaden und andere Methoden der Selbstverteidigung der Arbeiter und Unterdrückten notwendig, um sich gegen eventuelle Angriffe von Sicherheitskräften oder Schlägerbanden zu wehren. Die organisierte Gewalt der Arbeiterklasse wird ein entscheidendes Element für die Spaltung des Militärs sein und um Soldaten für den revolutionären Block zu gewinnen.

Die Arbeiterklasse hat ihre enorme Macht in den Streikwellen gezeigt, die letztendlich Mubaraks Schicksal bestimmten, und erhält auch nach seinem Fall den Kampf aufrecht. Die Arbeiterklasse hat in Verbindung mit der arbeitslosen Jugend, der unteren Mittelklassen, der armen Land- und Stadtbevölkerung die soziale Kraft um sich vom Fallstrick des Ìbergangs zu befreien und eine alternative Machtperspektive aufzuweisen. Es ist auch notwendig, einen politischen Generalstreik vorzubereiten, der die Forderungen nach Lohnerhöhungen, gegen die Prekarisierung und für die freie gewerkschaftliche und politische Organisierung mit dem Kampf gegen das unterdrückende und pro-imperialistische Regimes bis zur Beseitigung seiner letzten Spuren verbindet.

Einige Teile der Arbeiterklasse haben begonnen, von dem offiziellen Gewerkschaftsbund, der völlig vom diktatorischen Regime abhängig ist, unabhängige Gewerkschaften und Verbände aufzubauen. Wir unterstützten alle Versuche der Massen den Aufbau von wahrhaft demokratischen Organisationen zu erreichen, sei es durch den Rauswurf der regimetreuen Bürokraten aus den bestehenden Gewerkschaften oder durch den Aufbau neuer Gewerkschaften, die auf Basis der Arbeiterdemokratie wirken und für ihre eigenen Forderungen kämpfen.

Der Militärrat, die Bourgeoisie und der Imperialismus wollen mit allen Mitteln eine freie Diskussion über die Zukunft des Landes unter Arbeitern und Armen verhindern, da sie fürchten, dass die Arbeiter und Massen Ägyptens zu dem Schluss kommen könnten, dass es zum Erreichen ihrer Forderungen der Zerschlagung des kapitalistischen Staates bedarf. Ihr Plan ist es, beschränkte Verfassungsreformen mit einem Referendum absegnen zu lassen und dann Wahlen zu organisieren. Doch dies sind erbärmliche Zugeständnisse, die mit einigen minimalen formalen Reformen versuchen werden, den revolutionären Prozess auszuhebeln und in den Reformismus umzuleiten. Gegen diese Falle ist die einzig wirklich demokratische lösung der Kampf um eine revolutionäre verfassungsgebende Versammlung, die die Gesellschaft und das Land von Grund auf umorganisiert, in der frei gewählte Vertreter über die großen Probleme debattieren und entscheiden können: Der Bruch mit dem Imperialismus und dem Staat Israel, die Enteignung der großen transnationalen Unternehmen und Großgrundbesitzer, die Verstaatlichung der wichtigen Wirtschaftszweige, die Rückgabe von ländereien an arme Bauern, lösungen für die arme Stadtbevölkerung, das Ende der Arbeitslosigkeit, der Kampf gegen die Unterdrückung von Frauen, neben anderen wichtigen nationalen Fragen.

Auf keinen Fall kann eine Versammlung dieser Art durch die aktuelle Militärregierung, bestehend aus Vertretern des Mubarak-Regimes (oder anderen Regierungen der gleichen Art) ausgerufen werden, die die Unterordnung zum Imperialismus und die Herrschaft der Großgrundbesitzer und Kapitalisten aufrecht erhalten will und den Massen, die den Diktator stützten jegliches Recht auf eine eigene Entscheidung nehmen. Daher muss eine revolutionäre verfassungsgebende Versammlung aus dem Kampf selbst hervorgehen, innerhalb der sich dann Organisationen der Arbeiterklasse und der Armen entwickeln, die eine provisorische Regierung aufstellen und ausrufen können. Keine der strukturellen Forderungen der Massenbewegung wird sich in den Grenzen des bürgerlichen Staates und des zerfallenden kapitalistischen Systems der Halbkolonie Ägyptens erfüllen lassen, die auf der Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeiter und Massen und unter dem Diktat der Imperialisten fußt. Der eröffnete revolutionäre Prozess muss weiter entfaltet werden. Die Arbeiter, die das Abdanken aller von Mubarak ernannten Verwalter der öffentlichen Unternehmen fordern, müssen jetzt die Betriebe besetzten und die direkte Verwaltung unter Arbeiterkontrolle durchsetzten. Die Organisierung der Arbeiterklasse muss nicht nur in den neuen demokratischen Gewerkschaften, sondern auch durch Fabrikkomitees aller Arbeiter und durch Rätestrukturen mit gewählten Delegierten aus allen Fabriken, Betrieben, Armenvierteln und Bildungseinrichtungen ausgeweitet werden.

Diese Organisierung wird nicht nur die Einheit in der Aktion aller Arbeiter und mobilisierten Massen stärken, sondern könnte sich auch zu Keimzellen einer wirklichen Doppelherrschaft entwickeln, die den bürgerlichen Staat zerschlägt und basierend auf Organen der Arbeiterdemokratie eine Arbeiter- und Bauernregierung errichtet, die die Kapitalisten enteignet, die zentralen Produktionsmittel verstaatlicht und so die Grundlagen legt, um mit dem Aufbau des Sozialismus zu beginnen. Um diese Perspektive voran zu treiben, muss die ägyptische Arbeiterklasse sich mit einer revolutionären Organisation wappnen, dessen Strategie die Niederlage der Bourgeoisie und des Imperialismus ist. Diese Organisation sollte sich der Perspektive für den Wiederaufbau einer Weltpartei der sozialistischen Revolution, der Vierten Internationale mit ihren nationalen Sektionen annehmen, die die heute in verschiedenen ländern eröffneten revolutionären Prozesse zum Sieg führen kann.

Mit dem Sturz Mubaraks haben die Vereinigten Staaten einen wichtigen Verbündeten zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft in der Region verloren. Wenn das Militär auch die Fortführung der Außenpolitik Ägyptens angekündigt hat, wurde doch ein Periode großer Instabilität und Ungewissheit eröffnet, die auch die Regierungen der imperialistischen Mächte Europas und die reaktionären Regime in der arabischen Welt von der saudischen Monarchie bis zur Nationalen Autorität Palästinas sowie den ultrarechten Premier Israels Benjamin Netanjahu nervös werden lässt. Daher rührt auch die verzweifelte Eile von Obama und Kompanie, einen reaktionären Ausweg zu finden, der den revolutionären Prozess aushebeln kann.

Für einen sofortigen Abbruch der strategischen Beziehungen mit den USA und dem Staat Israel und aller Vereinbarungen, die Ägypten den verschiedenen imperialistischen Mächten unterwerfen.

Der revolutionäre Prozess in Ägypten ist die erste überwältigende Antwort der Arbeiter und verarmten Massen auf die internationale Kapitalismuskrise und gleichzeitig der Höhepunkt eines weitläufigeren Prozesses, der in Tunesien begonnen hat (wo der Diktatur Ben Alis ein Ende gesetzt wurde) und sich wie ein Lauffeuer auf ganz Nordafrika und andere arabischen länder ausgebreitet hat. Millionen sind in Jordanien, Algerien, im Jemen, Bahrain und Libyen auf die Straßen gegangen um ihre eigenen Diktaturen oder korrupten und pro-imperialistischen Regime herauszufordern. Der Kampf der Ägypter ist nicht nur ein Beispiel für alle Unterdrückten in der Region und der ganzen Welt, sondern auch außerordentlicher Ansporn im Kampf für das Verjagen des Imperialismus aus dem Nahen Osten. Ein Kampf gegen die Unterdrückung des palästinensischen Volkes durch den zionistischen Staat Israel, der mit dem Ende der skandalösen Blockade, die ägyptische Truppen im Gazastreifen aufrecht erhalten, begonnen werden muss. Der Sieg einer Arbeiterrevolution in Ägypten wäre so auch ein erster Schritt zur sozialistischen Revolution des Maghrebs und aller länder der arabischen und muslimischen Welt – und außerdem auch eine große Quelle der Inspiration, die eine neue Etappe der internationalen Klassenkämpfe eröffnen könnte.

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